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Das hat es in der bald 50-jährigen Geschichte der OLG Suhr noch nie gegeben: Gleich zwei Suhrerinnen haben diesen Sommer an internationalen Titelkämpfen teilgenommen! Rosa und Lilly geben Einblicke in ihre Vorbereitung und die Wettkämpfe.

Teil 2: Lilly am JWOC.

 

 

Vom 5. bis 10. September 2021 fand in der Türkei östlich von Istanbul die Jugend-WM (JWOC) statt. Der Schweizer Delegation von je sechs Läuferinnen und Läufern gehörte auch Lilly Graber (D20) an. Für alle Schweizer Athleten und Athletinnen war es die erste Teilnahme an einer Jugend-WM. Rangziele hatte sich das Team deshalb keine gesetzt. Ziel sollte vielmehr sein, dass alle mit soliden, gut geplanten Läufen ihr Potential abrufen können, so Cheftrainer Beat Oklé im Bericht auf der Webseite von Swiss Orienteering.
Lilly hat während dieser Woche mehr als nur solide, gut geplante Läufe zeigen können und hat uns mit der Silbermedaille über die Mitteldistanz und gar dem Weltmeistertitel über die Königinnensdisziplin Langdistanz in Atem gehalten. Kurz nach ihrer Rückkehr konnten wir ihr einige Fragen dazu stellen:

Nach deinen erfolgreichen EYOC-Teilnahmen 2018 und 2019 konntest du dich nun erstmals für den JWOC selektionieren. Wie hast du dich auf die Wettkämpfe vorbereiten können und mit welchen Erwartungen bis du in die Türkei an den JWOC gereist?

Die Vorbereitungen auf die JWOC verliefen sowohl in physischer wie auch in mentaler/technischer Hinsicht ziemlich wunschgemäss. Ich arbeite seit Ende Juni 80% in einer Baumschule als Praktikantin und hatte anfangs ein bisschen Bedenken, wie gut sich die körperliche Belastung von der Arbeit mit dem Training kombinieren lässt. Ich gewöhnte mich aber zum Glück schnell an die neue Situation, hatte keine Probleme meine Trainings zu absolvieren und fühlte mich physisch in Form. Ende Sommer konnte ich in einem Trainingslager mit dem Juniorenkader in Frankreich nochmals an meiner Technik feilen, wo ich ein gutes Feedback bekam. Vom Kartenstudium her ahnten wir, dass das türkische Gelände uns nicht komplett fremd sein würde mit den vielen grünen Partien und drehenden Hängen, die wir auch in der Schweiz vorfinden. Angereist bin ich mit keinen grossen Erwartungen, auch da wir nun 2 Jahre keine internationalen Vergleiche mehr hatten und deshalb eine rangmässige Einschätzung sehr schwierig war. Als Schweizer Delegation weiss man aber, dass man mit Normalleistungen gut in den vorderen Drittel laufen kann, deshalb wäre ich mit einer Top Ten Platzierung sehr zufrieden gewesen.

Als erster Wettkampf stand der Sprint auf dem Programm. Eine Disziplin, die dir eigentlich sehr gut liegt, trotzdem verlief dieser erste Einsatz nicht wunschgemäss. Was ging dir nach dem missglückten Start durch den Kopf und wie konntest du dich mental auf die nächsten Läufe vorbereiten?

In letzter Zeit war mein Vertrauen im Wald deutlich grösser als im Sprint, wohl vor allem weil mir vor Kürzerem einige wichtige Sprints sehr schlecht gelaufen sind. Wohl auch deshalb war ich vor dem Start sehr nervös und brachte am Anfang des Laufs meinen Kopf überhaupt nicht zusammen, musste mich gleich zweimal auffangen – und das bei einem Sprint, ein ziemlicher Horrorlauf. Allerdings habe ich mich im Voraus ein bisschen auf so eine Situation mit einem missglückten Start in die Woche vorbereitet und konnte trotz grosser anfänglicher Enttäuschung am Ende des Tages ziemlich gut damit abschliessen und nach vorne schauen. Ich wusste, dass ich noch viele Chancen habe und freute mich einfach sehr auf die anstehenden Waldwettkämpfe.

In der Mitteldistanz musstet ihr einen Quali-Lauf bestreiten, welcher dir sehr gut gelungen ist. Hat dir dieser Lauf die nötige Sicherheit für den Final gegeben, oder hast du dein Konzept dazwischen nochmals anpassen müssen?

In der Quali war mein Ziel sicher zu laufen, lieber etwas Zeit zu investieren und so grössere Fehler zu vermeiden. Das hat gut funktioniert und gab mir definitiv Vertrauen für den Final. Ich wusste jedoch, dass das Gelände im Final einen etwas anderen Charakter mit mehr Relief hat. Darauf freute ich mich aber, da ich sehr gerne mit Reliefhilfen laufe, statt nur mit dem Kompass wie es bei der Quali oft nötig war.

Nach deinem 2. Platz in der Mitteldistanz war das Interesse vermutlich bereits sehr gross. Konntest du den Rummel gut ausblenden oder hat er dich für die Langdistanz sogar beflügelt?
Welche Taktik hast du dir für die lange und mit vielen Höhenmetern gespickte Bahn zurechtgelegt?

Ich war wirklich ziemlich überwältigt von den vielen Mitteilungen, während ich selbst noch immer nicht so richtig realisieren konnte, was passiert war. Deshalb war ich sehr froh um den Ruhetag vor der Langdistanz. So hatte ich etwas Zeit das Ganze zu verdauen und mich wieder zu fokussieren.

Für die Langdistanz wollte ich mir bewusst Zeit nehmen für meine Routenwahlentscheidungen sowie für eine saubere Planung und Umsetzung. Nach dem Middle wusste ich, dass ich keinen Bombenlauf zeigen muss, was mir die nötige Konsequenz und Geduld gab. Ich erinnerte mich aber auch, dass trotz dem super Middle nun alles wieder bei 0 anfängt.

Im Langdistanzrennen hast du auf der langen Strecke zwischen Posten 8 und 9 die Führung übernommen. Hast du bei der Überlaufpassage von deiner Führung erfahren und wenn ja, was ging dir auf der Schlussschlaufe durch den Kopf?

Lustigerweise habe ich beim Überlauf gar nichts mitbekommen, da meine Zwischenzeiten anscheinend nicht funktionierten und der Speaker nichts von mir wusste. Das laute Anfeuern beim Überlauf gab mir aber nochmals einen Motivationsschub, obwohl ich physisch schon total am Ende war. Ich wusste, dass ich nun nochmals voll fokussieren musste und wollte lieber etwas Zeit investieren und bis am Schluss sauber durchkommen, als noch zu suchen.

Zum Abschluss stand die Staffel auf dem Programm. Nach den physisch und mental fordernden Läufen der letzten Tage waren die Batterien vermutlich langsam etwas leer. Wie konntest du nochmals Energie tanken für diesen letzten Einsatz?

Die Staffel ist ein schöner Abschluss, es ist immer sehr cool auch mal als Team laufen zu dürfen und zusammen zu kämpfen. Wir haben uns alle sehr auf diesen letzten Wettkampf gefreut, die Stimmung in unserem Team war super und die Motivation für meinen letzten Einsatz war gross. Unterwegs merkte ich aber schon bald, dass meine Batterien tatsächlich langsam leer waren, mir unterlief ein dummer Fehler und physisch konnte ich nicht mehr so angreifen, wie ich es mir gewünscht hätte.

Dein Weltmeistertitel hat hohe Wellen geschlagen, seit der Rückkehr aus der Türkei gab es wohl unzählige Gratulationen und viele Anfragen. Hast du schon etwas Zeit gefunden, um all die Eindrücke zu verarbeiten?

Es hat tatsächlich etwas Zeit gebraucht, durch diesen ganzen Rummel kam ich erst etwas später dazu. Zudem ist der Alltag mit der Arbeit gleich weitergegangen und ich war ziemlich erschöpft von all dem Erlebten, sodass ich mir etwas Zeit liess, bevor ich alles etwas analysierte. Nun bin ich aber wieder zu Kräften gekommen und freue mich auf die restliche Herbstsaison mit ein paar OL-Leckerbissen.

Nebst der Vorbereitung für den JWOC hast du im Frühling auch noch die Matur gemacht. Magst du zum Schluss noch kurz über deine nächsten OL- und weiteren Pläne berichten?

Momentan absolviere ich ein Zwischenjahr mit verschiedenen Praktika als Vorbereitung auf ein Landschaftsarchitekturstudium, das ich nächsten Herbst in Angriff nehmen möchte. Von Sommer bis Herbst habe ich nun 4 Monate in einer Baumschule gearbeitet, im Winter werde ich dann ein halbes Jahr in einem Büro mitwirken. Was danach genau kommt, ist noch nicht klar, jedoch liebäugle ich auch mit einem längeren Schweden-Aufenthalt in Verbindung mit einem Praktikum, was sozusagen ein 2 in 1 wäre… ;)

Vielen Dank für deinen Einblick und nochmals herzliche Gratulation zu deinen beiden JWOC-Medaillen. Wir drücken die Daumen und wünschen alles Gute!

Herzlichen Dank!